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Letzte Bearbeitung: 21.8.2010
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Wer war Gustav Feuerlein?

„Vivere, qui bene vult, lateat bene, munere fungens
Haud graviore, suis et sibi vivere amet!”

So lautet das Lebensmotto Gustav Feuerleins, das er sich selbst gegeben hat und das sein Leben in der Tat in nuce beschreibt: eine ruhige, unauffällige Existenz in einem sicheren, aber eher bescheidenen öffentlichen Amt, die im Dasein für die eigene Familie und in der Freiheit eigener Interessen ihr Glück sucht.

Gustav Feuerlein (Ölbild, ev. Kirche Wolfschlugen)

Fürchtegott Gustav Willibald Feuerlein wurde am 24.7.1781 in Stuttgart als achtes Kind des Regierungsrats Carl Friedrich Feuerlein und dessen Ehefrau Auguste, geb. Fischer, geboren. Mit seinem ihm nachgeborenen Zwillingsbruder Ehregott August Willibald, der einmal Oberbürgermeister von Stuttgart werden sollte, war er zeitlebens eng verbunden. Nach dem Besuch des Gymnasiums in Stuttgart besuchte er von 1795 bis 1799 die Klosterschulen in Blaubeuren und Bebenhausen. Im 18. Lebensjahr wurde er in das theologische Stift in Tübingen aufgenommen. Das zweijährige Studium der Philosophie schloss er als Magister ab und studierte in den drei darauffolgenden Jahren Theologie. 1804 wurde Feuerlein Vikar in Plieningen. Im Sommer 1805 unternahm er zusammen mit seinem Zwillingsbruder, seinem älteren Bruder Karl und einem Schwager eine Reise nach Venedig. Sein Vikaritat setzte er 1808 in Wangen, dann in Rielingshausen, Fellbach und Pliezhausen fort. Am 5.3.1812 trat er die Pfarrstelle in Wolfschlugen bei Nürtingen an, die er bis zu seinem Tode am 2.7.1848 inne hatte. Kurz nach Antritt seiner Pfarrstelle heiratete er Luise Christiane Duvernoy (1787-1846), die Tochter des Stuttgarter Kriegsrates David Hermann Heinrich Duvernoy. Aus dieser Ehe gingen zwei Töchter und vier Söhne hervor.[1]

Soweit der äussere, unspektakuläre Gang seines Lebens. Und doch hat dieses Leben weit über seine Zeit hinaus gewirkt, denn die Erinnerung an den einfachen Dorfpfarrer Gustav Feuerlein ist nicht nur bei seinen Nachfahren, sondern auch in seiner Gemeinde in Wolfschlugen bis auf den heutigen Tag lebendig geblieben. Nicht nur, dass in der evangelischen Kirche dort ein großes Ölgemälde, das ihn in Amtskleidung darstellt, aufgehängt ist. Ein lebendiges literarisches Bild seiner Persönlichkeit und Lebensart hat die schwäbische Schriftstellerin und Freundin der Familie Ottilie Wildermuth in ihrem Idyll »Das humoristische Pfarrhaus« hinterlassen.[2] Ein humorvoller, gebildeter, lebenskluger, phantasiereicher, schöpferischer, geistvoller und nicht zuletzt liebenswürdiger Mensch tritt uns da entgegen, der ganz dem Lebenskreis seiner engeren und weiteren Familie verhaftet ist, wundersamen Steckenpferden und Basteleien nachgeht, mit einer Passion für Dichtkunst und Rätsel behaftet ist und dessen Denken tief in der Antike wurzelt.

Verzeichnis seiner Schriften

DER LOHN DER TUGEND. Ein Kinderschauspiel mit Gesang in 2 Akten zur 78. Geburtstagsfeyer ihres Vaters Carl Friederich Feuerlein ... d. 5. März 1807, Tübingen [1807 ?]

GYNÄCEUM. Eine Gallerie satyrischer Gemälde, Stuttgart 1812.
„Er schildert darin ein halbes Hundert Frauen, von denen jede an irgend einem Grundfehler krankt, nicht ohne Witz, Lebhaftigkeit der Darstellung und Sprachgewandtheit”. [3] – Rezension in: Allgemeine Literatur-Zeitung, Jg. 1813, Bd. 1, Nr. 84, April, Sp. 670-672.

TEUTSCHLANDS PALINGENESE, Heidelberg 1814.
Inhalt: I. Die Völker-Schlacht bey Leipzig – II. Der Niemen und die Berezyna oder der 18. Junius und 28. November 1812. – III. Preußen. Unlängst und Jetzt. – Rezension in: Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung, 11. Jg., Bd. 4, Nr. 236, Dez. 1814, Sp. 456; ebd. Nr. 237, Dez. 1814, Sp. 457; Allgemeine Literatur-Zeitung, Jg. 1814, Bd. 3, Nr. 270, Nov., Sp. 614.

GEDICHTE aus den Jahren 1811 bis 1814, Nürnberg 1815.
„1815 veröffentlichte er eine Sammlung politisch-patriotischer Dichtungen aus der Zeit der Erniedrigung und Erhebung Deutschlands, die freilich mehr von wackerer Gesinnung, als von echter Poesie erfüllt sind.”[4] – Rezension in: Jenaische Allgemeine Literatur-Zeitung, 12. Jg., Bd. 1, Nr. 37, Febr. 1815, Sp. 294-296.

SCHILLER'S sämmtliche Gedichte in's Lateinische übersetzt von Gustav Feuerlein // Schilleri lyrica omnia Latinis modis aptare tentavit Gustav Feuerlein, 2 Bde., Stuttgart 1831.
Es ist „begreiflich, daß sich unter den übersetzten Votivtafeln manches Gelungene findet [...]. Aber was sollen wir zum »Taucher«, was zum »Grafen von Habsburg« in Distichen sagen, was zum »Handschuh« im archilochischen Versmaße! Wo bleibt denn dabei im »Taucher« die meisterliche Behandlung des Metrums, des Reims, der Strophe überhaupt, wo die dem Gegenstande, dem Ringen der Menschen mit dem Elemente, so entsprechende Strophenform mit ihren entschlossenen männlichen vier Anfangsversen, denen dann die beiden letzten Zeilen, das Zarte mit dem Strengen paarend, beschwichtigend folgen! Wo bleibt die kunstvollste Strophe, die Schiller gebaut hat, die des »Grafen von Habsburg«, mit ihrer schwungvollen, prächtigen, fest-feierlichen Diktion! Wo bleibt nun gar erst die wirkungsvolle Tonmalerei des »Handschuh«! [...] Feuerleins tadelloses Latein und metrisches Gewissen wiegen die Verluste, die der Sprachkünstler Schiller unter des Übersetzers Händen erlitten hat, nicht auf; [...] hat er doch dem Aar die Schwingen gestutzt und ihn dem Adler Goethes gleich gemacht, daß er sich »mühsam kaum vom Boden hebt«.” – Und zu Fischers Übersetzung der »Glocke«: „Kann sich hier noch Herz und Ohr an einem gelungenen Bilde weiden? Ökonomie, durch Metren, Gleichklang, großartige Beherrschung des sprachlichen Materials über dem Ganzen ausgegossener Farbenglanz – alles unter dem dröhnenden und spröden Lauten der Soldatensprache verschwunden!” [5]

SPHINX. Eine Sammlung humoristischer Stanzen, Stuttgart 1846. – Anonym erschienen.
„In 111 gereimten Scharaden und einem stattlichen Anhang vermischter Gedichte läßt er alle Register seiner geist- und humorvollen Reimkunst spielen, seine seltene Vertrautheit mit den mannigfaltigsten Gebieten der Kunst und des Wissens verratend.” [6]

 

[1]  Kurzbiographie nach Ferdinand Goes: Zur Erinnerung an Mag. Fürchtegott Gustav Willibald Feuerlein und seine Gattin Luise Christiane, geb. Duvernoy, in: Mitteilungen des Familienverbandes Feuerlein, 4. Jg., Heft 3, Mai 1938, S. 36-48.

[2]  Ottilie Wildermuth: Das humoristische Pfarrhaus, in: Ottilie Wildermuth's Werke. Erste Gesammt-Ausgabe, Bd 2., Stuttgart 1862, S. 252-264. – »Das humoristische Pfarrhaus« online unter: http://gutenberg.spiegel.de/wildermt/bilder/bild74.htm (21.8.2010). – Auch in dem Lebensbild »Auguste«, mit dem Ottilie Wildermuth das Andenken an ihre früh verstorbene Freundin Auguste Eisenlohr, d. i. die älteste Tochter Gustav Feuerleins, verewigt hat, finden sich einige Passagen, die uns Einblick in das Wolfschlugener Pfarrhaus gewähren: „Noch sehe ich den Pfarrer lebendig vor mir: seine große stattliche Gestalt, die ihm in den Studentenjahren den Namen Ajax erworben, die klugen hellen Augen, die frisch blühende Gesichtsfarbe und den Mund, den immer ein schalkhaftes Lächeln umspielte. Neben ihm die freundliche Hausfrau mit dem Ausdruck der innigsten Herzensgüte, die mit unermüdeter Geduld in seine Ideen einging, seine zahllosen Steckenpferde gewähren ließ und ihm überall herzlich sorgend und helfend, ergänzend und mäßigend zur Seite stand, wo seine Phantasie vielleicht zu bunte Sprünge gemacht hätte. – Ein heitres, gesundes, erfrischendes Leben führen die Kinder dieses Hauses, ein ganzes und volles Kinderleben, da der Vater selbst mit ihnen zum Kinde wurde und doch mit seinem reichgebildeten Geiste dem leichtesten Spiel wieder Bedeutung zu geben wußte. Das Haus war bevölkert mit lebendigen Kaninchen, zahmen Vögeln, die in wundersam gebauten luftigen Vogelpalästen hausten und mit allerlei Gethier, das in Wald und Feld eingefangen und wieder freigegeben wurde; daneben war der Vater unerschöpflich reich an wunderbaren Geschichten, die die Winterabende kürzten; der kleine Garten am Hause, kaum achtzig Schritte breit, war auf die abenteuerlichste und mannigfaltigste Weise angelegt, jedes der Kinder hatte seinen Antheil, den es nach eigener Phantasie bearbeiten durfte und auf dem gar wunderliche Schöpfungen entstanden. – Und Freiheit, goldene Freiheit, ungehemmtes Umhertreiben in Wäldern und Feldern, herzlicher, zwangloser Verkehr mit den Dorfbewohnern, die eine unbegrenzte Liebe und Anhänglichkeit an die Pfarrfamilie hatten, alles nur leise überwacht von dem sorgsamen Mutterauge ... Sechs Geschwister wuchen in dieser glücklichen Heimath auf, in der durch lange Jahre kein schweres Leid einkehrte; vier Söhne und zwei Töchter, zu denen später noch eine verwaiste Nichte kam. ... Neben all der köstlichen Freiheit des Umhertreibens wuchsen die Kinder doch nicht verborgen in ländlicher Einsamkeit auf. In Nürtingen, in den lieblichen Dörfern der Umgegend, gab es Freunde und Bekannte genug, die gern zu dem heiteren, gastlichen Pfarrhaus pilgerten; in der Residenz, dem Paradies so mancher kindlichen Phantasie, wohnte ein reicher Kreis lieber Verwandter, der Pfarrer hatte elf Geschwister, die zu großem Theil das höhere Alter erreichten; die reichste Mannigfaltigkeit verschiedener Charaktere, verbunden durch gleiche geistige Lebendigkeit, durch das Band der herzlichsten Familienliebe, machten diesen Familienkreis vor vielen schön und gehaltvoll. Da wurden fröhliche Fahrten angestellt und die Pfarrkinder frühe mit den Wundern des Residenzlebens bekannt gemacht, heitere Familienfeste gefeiert ... Oefter noch erfrischten sich die Verwandten der Residenz in der herrlichen Waldluft des Pfarrdorfes und stolz führten die Pfarrkinder die Vettern und Bäschen aus der Stadt in die Herrlichkeiten des Landlebens ein.” (Ottlilie Wildermuth's Werke. Erste Gesammt-Ausgabe, 7. Bd., Stuttgart 1862, S. 146-149)

[3]  Rudolf Krauß: Schwäbische Litteraturgeschichte in zwei Bänden, Bd. 1, Freiburg i.B. / Leipzig / Tübingen 1897, S. 376.

[4]  Ebd.

[5]  Eugen Grünwald: Deutsche Poesie in lateinischem Gewande, in: Zeitschrift für den deutschen Unterricht, 16. Jg., 1902, S. 619-622.

[6]  Ferdinand Goes (siehe Anm. 1), S. 44.